Dienstag, 7. Dezember 2010

Frieden auf Erden


Wenn der erste Schnee fällt tritt ein Phänomen auf, das nur einmal im Jahr in diesem Ausmass vorkommt und von allen mit einer grossen heiteren Gelassenheit aufgenommen wird:

Die Welt steht still!

Hasten wird Lebensgefährlich und jeder überlegt sich eine Fahrt mit dem Auto zwei Mal.

Die Strassen sind weiss und leer. Die Menschen für einen Augenblick gelassener, Verspätungen werden akzeptiert und verstanden.

Ein kleiner Augenblick im Jahr den man ‚Frieden‘ nennt.

Frieden auf Erden: ein alter Wunsch einer alten Menschheit.

Naturkatastrophen bremsen regelmässig unser Machtanspruch über die Erde aus: grosses Staunen, die Heftigkeit dieser Gewalten verschlägt uns den Atem und öffnet unsere Herzen für diejenigen die es getroffen hat.

Umso schöner ist das eintreffen der Naturkraft, wenn sie uns Frieden bringt - wenn auch nur für ein paar Tage. Wir erfreuen uns an der leisen Stimmung, der gewandelten Welt und der neu gewonnen Zeit wenn alles verlangsamt an uns herantritt. In Gesprächen im Zug und Bus hört man erstaunte Sätze wie: die Nacht war so Still!

Für Kinder ist es eine aktive Zeit. Energien werden frei, Hänge erstürmt, Schneemassen aufgetürmt, an teilweise selbstbestimmte Fahrtwinde Mützen und Handschuhe geopfert.

Hier herrscht zum Frieden der Erwachsenen Freiheit und Freude.

Als wäre es ein Fest wandeln wir durch die verschneiten Tage und fühlen wieder unser Menschsein in alter Kraft.

Welch ein Segen von Oben…

…bis die ersten Zahlen der dadurch entstanden Schäden auftauchen: uns vorgerechnet wird was diese kurze Zeit des Friedens der Wirtschaft für einen Schaden zugefügt hat.

Nur frage ich mich immer wieder: wer ist diese seltsame Person die alle Ehrfürchtig ‚die Wirtschaft‘ nennen, denen alle Dienen der alles unterworfen ist?

Diese Wirtschaft verlangt mehr Studenten in eine bestimmte Richtung – wenn du jetzt nicht lernst hast du Probleme mit der Wirtschaft und so weiter.

Alles muss rentieren und wenn nicht rentieren dann wenigsten so tun als wollte man etwas für die Wirtschaft tun.

Schulen sind keine Bildungsstätten mehr. Von der Kinderkrippe bis zur Universität müssen sie Wirtschaftbetriebe sein; mit Gewinnausweis oder mindestens mit Spitzenprodukten damit sie Wettbewerbsfähig sind.

Kinder werden auf die Wirtschaft vorbereitet und Fachrichtungen, Terminus und Inhalt den Bedürfnissen dieser edlen Person angepasst.

Nicht anders ist es mit dem Gemeinwesen. Gemeinden sind keine Interessengemeinschaften von Bürgern mehr sondern Wirtschaftsbetriebe. Diese werden dann noch unterteilt in Soziales, Bau, Finanzen, Bildung ev. noch Kultur und jeder Betriebszweig hat eine Gewinnrechnung vorzuweisen.

Jede vorgeschriebene Handlung: wie Anmeldung, Abmeldung, Wohnortwechsel, Geburt, Krankheit, Arbeitsfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Sterben ist Kostenpflichtig.

Verweigerung hat Busse zur Folge und wird ad adsurdum mit Gebühren für die auszustellende Busse gekrönt.

Zins und Zinseszins so zusagen.

Braucht man Hilfe in dieser Lage gibt es Beratungsstellen – gegen Gebühr natürlich – die einem dann sagen, dass es so sein müsse. Oder bestenfalls den Gesetzesartikel genau erklären können.

Vielleicht bemerken wir das alles gar nicht mehr, weil es eben so ist, aber nach so kurzen Pausen mit frisch gefallenem Frieden verschlägt es auch dem Geschwätzigsten die Sprache.

Was vielleicht zu der bereits Oben erwähnten Stille beitragen mag.

Die Gier wird uns vorgelebt von Managern, Parteien, Institutionen und wird von der Wirtschaft ihrer Lobby gerechtfertigt und sogar gefordert.

Kinder müssen mit vier in die Schulen, damit sie dann Vorbereitet sind auf das Erwerbsleben. Wettbewerb schon im Kindergarten – wer sich verweigert wird bereits hier zurück gestuft und den Eltern signalisiert: so schafft ihr Kind nie eine Berufslehre!

Aber es gibt ja Abklärungen, und Aufklärungen für ihr Kind, Therapien, Wochenplätze und bei ganz groben Verweigerungen jemandem zu dienen, Tagesheime, Wochenschlafplätze und und und…

Natürlich nicht gratis. Menschenliebe kostet: aber zum Glück haben wir Versicherungen die Bezahlen. Aber nicht wirklich, eigentlich bezahlen sie nur wenn sie vorher Geld bekommen von allen oder vom Staat, woher ist eigentlich egal, damit sie dann – nach Abzug der Gebühren - einen Teil grosszügig für ‚Hilfe‘ an Kinder ausgeben können, deren eigentliches Bedürfnis nur Bildung wäre und nicht Einspuren auf ein undefiniertes Gespinst mit Namen Wirtschaft.

So bleibt Menschenbildung auf der Strecke: gratis soziales Engagement ist verpönt und wehe man tritt kostenneutral für die Rechte irgendwelcher Menschen ein, die sich weigern sich einzuordnen oder deren Herkunft, körperliche Struktur oder Entwicklung nicht der Wirtschaftsnorm entsprechen, bekommt man den Stempel: Links und nett.

Aber Hand aufs Herz, grad bei so viel Neuschnee: lieber Links (wo das auch immer sein mag) und nett – das ist ja sowieso gut – als Rechts und Böse.

Aber nur ein paar Tage, dann kehrt wieder Ruhe und Ordnung ein